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Inklusive Arbeitswelt

Flughafen München: Vorsorgen mit Vollgas

Manchmal sind Fähigkeiten nicht auf den ersten Blick erkennbar. Inklusion bietet die Chance, die Fähigkeiten aller Menschen zu sehen und zu nutzen. Inklusion zur Normalität werden zu lassen – dieses Prinzip hat sich der Flughafen München bereits vor mehr als zehn Jahren auf die Fahnen geschrieben. Willy Graßl steuert als Leiter des Gesundheitsbereichs u. a. alle Anliegen zum Thema Inklusion und Angebote zur Prävention – damit alle Beschäftigten ihre Ressourcen gut und langfristig nutzen können. Zwei Beispiele: Yücel Cesur kam 2011 über ein Praktikum der Lebenshilfe Freising zum Flughafen. Seine Lese-Rechtschreib-Schwäche beeinträchtigt ihn bei seiner Arbeit in der Gerätereinigung nicht. Lucas Feierabend hat ein stark eingeschränktes Sehvermögen und macht eine Ausbildung in der IT-Abteilung. Sein Arbeitgeber sowie die Kolleginnen und Kollegen tragen viel dazu bei, dass er seinen Beruf trotzdem problemlos durchführen kann.

Porträtfoto: Willy Graßl.

Über Willy Graßl

Porträtfoto: Willy Graßl.

„Ein Verständnis dafür zu entwickeln, dass Menschen unterschiedliche Ressourcen und Fähigkeiten haben – das ist der Kernansatz für inklusive Arbeit.“

Seit 1988 arbeitet Willy Graßl beim Flughafen München in verschiedenen Bereichen und Funktionen – von der Flugzeugabfertigung über die Arbeitnehmervertretung, in der Projektarbeit und im Aufsichtsrat. Seit 2010 leitet er den Bereich betriebliches Gesundheits- und Sozialmanagement, zu dem auch die Inklusion gehört. Zusammen mit einem zehnköpfigen Team setzt er sich dafür ein, dass alle Beschäftigten ihre Fähigkeiten gut nutzen können – für einen Ausgleich zwischen persönlicher Zufriedenheit und wirtschaftlichem Erfolg.

Interview: Fähigkeiten erkennen

Herr Graßl, was sind Ihre Aufgaben beim Flughafen München?

Ich kümmere mich mit meinem Team um alles, was mit Gesundheit und sozialen Themen zusammenhängt. Dabei gibt es drei Schwerpunktbereiche: erstens: Inklusion, Eingliederungsmanagement und Sozialberatung. Zweitens: Rehabilitation, Prävention, Sport und Bewegung. Und drittens: strategische Entwicklung und Evaluationen, also z. B. Studien. Wir arbeiten dabei eng mit dem Arbeitsschutz zusammen und steuern auch die Ressourcen und damit die Qualität der Arbeitsmedizin im Konzern: Wie sichern wir eine gesunde Mitarbeiterverpflegung? Brauchen wir Vorsorgeuntersuchungen oder Sozialberatungen? Wir bieten vor Ort Beratungen für die Beschäftigten und Führungskräfte an und reduzieren damit die Belastung aus der Tätigkeit. Das Thema Inklusion ist für uns zentral. Wir fangen an der Basis an – nämlich bei der Prävention.

Warum ist Prävention – also die Vorbeugung – so wichtig?

Der Idealzustand ist, wenn Einschränkungen oder Krankheiten gar nicht erst entstehen. Die Arbeit am Flughafen kann eine psychische und körperliche Herausforderung sein, z. B. in der Abfertigung, bei der Feuerwehr oder in den Technik- und Sicherheitsbereichen. Es muss funktionieren – 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Das bedeutet Stress für die Angestellten. Dazu kommt: Beim Flughafen sind viele Beschäftigte sehr lange angestellt, manche 20 bis 30 Jahre. Das ist gut, aber in solch einer langen Zeit kann einiges passieren: Verschleißerscheinungen, Schicksalsschläge, chronische Krankheiten. Ein vernünftiger Arbeitgeber möchte aber die Erfahrung, das Wissen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht verlieren. Deshalb muss er schauen, dass er die Menschen weiter beschäftigen kann. Er hat schließlich eine Verantwortung gegenüber seinen Angestellten.

Ein vernünftiger Arbeitgeber möchte die Erfahrung, das Wissen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht verlieren. Deshalb muss er schauen, dass er die Menschen weiter beschäftigen kann.

 

Darum ist es wichtig, in allen Bereichen soweit wie möglich präventiv zu arbeiten. Manche Dinge kann man nicht ändern, körperlich anstrengende Tätigkeiten oder Stress wird es am Flughafen immer geben. Doch wir können unterstützen, Arbeitsabläufe verändern – z. B. durch Förderbänder, Hebehilfen oder Lifte. Auch die Beschäftigten selbst können vorbeugen: Wie kann ich richtig heben und tragen? Was passiert bei Verletzungen oder einseitigen Belastungen? Wie kann ich die Abläufe verbessern? Man darf Beschäftigte hier nicht allein lassen, sondern muss sie unterstützen. Diesen Themen widmen wir uns offensiv. Denn auch wenn man wegschaut, bleiben die Probleme bestehen.

Welche Angebote zur Prävention gibt es?

Am Flughafen arbeiten z. B. über 250 Feuerwehrleute. Für sie bieten wir spezielle Kurse zur Rückenstärkung und Rumpfstabilisierung an. Durch gezieltes Training können sie ihren Beruf länger ausüben. Wir haben auch einen neuen Standard für Büromöbel kreiert: Bei uns gibt es nur noch elektrisch höhenverstellbare Schreibtische. Denn unterschiedlich große Menschen brauchen unterschiedlich hohe Tische und Stühle. Hilfsmittel müssen aber auch anwendbar sein: Deshalb bieten wir Beschäftigten eine Einzelplatzberatung an. Die Arbeit im Stehen und im Sitzen schafft einen Ausgleich.

Aha!
Was haben Prävention und Inklusion miteinander zu tun?

Die Prävention, also die Vorbeugung, ist auch ein wesentlicher Teil der beruflichen Inklusion von Menschen mit Behinderung. Wenn Unternehmen sich für die Gesundheit der Beschäftigten einsetzen – z. B. durch Sportkurse oder die Einschätzung von möglichen Gefahren des Arbeitsbereichs – sichern sie eine langfristige Zusammenarbeit. Ein Beispiel: Am Flughafen steigt ein Flugzeugeinweiser am Tag fünfzigmal links aus seinem Auto aus. Das ist eine einseitige Belastung und bedeutet wiederum einseitigen Muskelaufbau. Das führt zu Verschleißerscheinungen an den Gelenken und schließlich zu Schmerzen und Fehlhaltungen. Die Folge sind letztlich Arbeitsausfälle. Um dies zu vermeiden, bietet der Flughafen München einmal pro Woche Ausgleichsübungen an. Die berufliche Inklusion fördert also nicht nur derjenige, der Menschen mit Behinderung einstellt, sondern auch der Arbeitgeber, der schwerbehindert werdende Beschäftigte nach ihren individuellen Fähigkeiten und Stärken weiterbeschäftigt. So fördert Prävention ein inklusives Denken und führt damit zu mehr Teilhabe am Arbeitsleben für alle Menschen.

Was sind die Herausforderungen inklusiver Arbeit?

Ein Verständnis dafür zu entwickeln, dass Menschen unterschiedliche Ressourcen und Fähigkeiten haben – das ist der Kernansatz für inklusive Arbeit. Wenn ich das einmal verstanden habe, dann spreche ich nicht mehr von Schwerbehinderung oder Menschen mit Einschränkungen. Sondern wir sehen: Menschen haben verschiedene Anforderungen und können unterschiedliche Aufgaben ausführen. Wir müssen sie so einsetzen, dass sie ihre Fähigkeiten bestmöglich nutzen können. Es muss sich im Kopf etwas verändern.

Unternehmen haben neben der betrieblichen auch eine gesellschaftliche Verantwortung.

 

Ein Thema kommt uns entgegen: der Alterungsprozess der Gesellschaft, der uns alle betrifft. Früher entstand eine Schwerbehinderung meist durch einen Unfall oder eine Erkrankung. Heute beobachten wir: Chronische Erkrankungen werden mehr, Menschen arbeiten teilweise bis ins hohe Alter. Auch viele Fachkräfte sind davon betroffen. Hier findet ein Umdenken statt, auch im Arbeitsleben. Die Gesellschaft besteht aus ganz unterschiedlichen Menschen. Die Kunst bei inklusiver Arbeit ist es, darauf einzugehen. Deshalb müssen Betriebe Vorreiterrollen einnehmen, dann kann man die Ressourcen auch nutzen. Ich muss Fachkräfte dort einsetzen, wo sie ihre Fähigkeiten entfalten können – das bringt uns wirtschaftlich voran und ist vor allem sinnvoll. Es gibt immer Grenzen bei der Inklusion, aber wenn ich Inklusion begreife, muss ich mit Grenzen genauso umgehen wie mit Fähigkeiten. Das heißt: Ich werde einen Rollstuhlfahrer nicht im Bereich Flugzeugabfertigung einsetzen; doch dieser Mensch hat möglicherweise Fähigkeiten für einen Arbeitsbereich, die zu hundert Prozent denen eines nichtbehinderten Menschen entsprechen. Unser Ziel ist es, dass Inklusion zur Normalität wird. Wir sind eben nicht alle gleich.

Willy Graßl im Terminal des Flughafens München.

Am Flughafen sind mit Partnerunternehmen insgesamt 35.000 Menschen beschäftigt. Betreiber ist die Flughafen München GmbH (FMG) mit mehr als 9.000 Beschäftigten. Von ihnen haben elf Prozent eine Schwerbehinderung. Das sind mehr als doppelt so viele wie gesetzlich vorgeschrieben. (Die Pflichtquote liegt bei fünf Prozent in Unternehmen mit mindestens 20 Arbeitsplätzen.)

In welchen Bereichen arbeiten Menschen mit Behinderung?

In fast allen Abteilungen. Ich selber habe auch eine Schwerbehinderung durch eine Erkrankung. Das schränkt mich in meiner Arbeit aber nicht ein. Wir haben unsere Kompetenz weiterentwickelt, um Menschen mit Behinderung weiter zu beschäftigen und einzustellen. Das ist auch das, was Unternehmen erfolgreich macht.

Was sind die Chancen der Inklusion?

Dass ich lerne, Probleme zu lösen. Ich entwickle ein Verständnis dafür, die einzelnen Fähigkeiten der Menschen zu fördern – manchmal auch jene, die auf den ersten Blick gar nicht sichtbar sind. Dadurch stärke ich meine Kompetenz. Ein Beispiel sind Menschen mit Autismus, die für bestimmte Arbeiten eine extrem hohe Fertigkeit mitbringen und echte Experten sind. Es kommt darauf an, diese Fähigkeiten zu sehen.

Eine weitere Chance ist der Zusammenhalt im Team. Bestes Beispiel: Wir haben in der Waschstraße Menschen mit einer starken Lernbehinderung integrieren können. Das Umfeld, das Kollegium, reagiert darauf. Hier verschwinden die Barrieren, soziale Kompetenzen werden gefördert und ein Zusammenarbeiten wird schnell normal. Man darf nicht vergessen: Unternehmen haben neben der betrieblichen auch eine gesellschaftliche Verantwortung. Das wird leider im beruflichen Alltag oft vergessen. Deshalb müssen wir die Inklusion vorantreiben. Sie ist auch ein wunderbares Lernfeld, um sich selber kennenzulernen.

Was haben Sie durch Ihre Arbeit gelernt?

Ich war schon immer aufgeschlossen und neugierig. Im Tagesgeschäft merke ich aber manchmal selber, dass ich Scheuklappen aufhabe. Wir arbeiten seit vielen Jahren mit der Lebenshilfe Freising zusammen. Dadurch hat sich mein Blick verändert: Man sieht die Freude und die Fähigkeiten der Menschen. Und ich schätze die Gesundheit nochmal mehr, auch durch meine eigene Erkrankung. Es ist gewinnbringend, persönliche Kontakte zu Menschen mit Einschränkungen zu haben – das erdet. Und das ist wichtig – für Unternehmen, für Entscheider, für die gesellschaftliche Entwicklung. Inklusion muss normal werden. Es ist ein Thema, um das ich mich als Arbeitgeber kümmern muss, genauso wie z. B. um die Lohnabrechnung.

Aha!

Lebenshilfe Freising e.V. ist Träger von Einrichtungen für Menschen mit Behinderung in jedem Lebensalter. Dazu gehören u. a. Frühförderstellen, Integrative Kindertageseinrichtungen, ein Förderzentrum mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung mit dem Schulprofil „Inklusion“, stationäre und ambulante Wohnangebote sowie Werkstätten mit Außenarbeitsplätzen. Das Ziel aller Einrichtungen, Maßnahmen und Dienste des gemeinnützigen Vereins ist die Teilhabe von Menschen mit Behinderung an der Gesellschaft – durch mehr Selbstbestimmung und Selbstständigkeit.

Die Jugendlichen der dreijährigen Berufsschulstufe im Förderzentrum machen regelmäßige Praktika in zahlreichen Betrieben im Landkreis und am Flughafen München, um ihre Fähigkeiten zu erproben und zu erweitern. Das Ziel: Eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt.

Ihr Rat an Arbeitgeber?

Investieren Sie in Inklusion ebenso wie in Controlling oder die Umsetzung von arbeitsrechtlichen Regelwerken. Das macht Unternehmen erfolgreich. Haben Sie Mut! Und: Widmen Sie sich dem Thema professionell. Die Gesellschaft wird zukünftig Arbeitgeber noch stärker daran messen, wie sie mit Beschäftigten in einer schwierigen Situation umgehen. Wenn Arbeitgeber hier gegenüber Bewerbern und Beschäftigten Verantwortung übernehmen, haben sie einen Vorteil im Wettbewerb. Und sie fördern Stärken der Menschen, die man manchmal nicht auf den ersten Blick sieht.

Bildergalerie: Autos & Action

In der Waschanlage des Flughafens kümmert sich ein Team von acht Beschäftigten um die Pflege von sämtlichen Fahrzeugen – von Pkw der Angestellten bis hin zu großen Vorfeldfahrzeugen und Staplern, von der Innenreinigung bis zur Motor- und Unterbodenwäsche. Zwei der Mitarbeiter haben eine Lernschwäche und sind über die Lebenshilfe Freising in die Gerätepflege gekommen. Einer von ihnen ist Yücel Cesur. Wir treffen ihn und Thomas Philippi, den Leiter der Gerätepflege.

Porträtbild: Yücel Cesur.

Seit 2011 arbeitet Yücel Cesur in der Gerätepflege des Flughafens. In einem zweiwöchigen Praktikum wurden seine Fähigkeiten getestet, es folgten weitere Praktika als Lackierer, Dachdecker und Hausmeister. „In der Gerätepflege hat es mir am besten gefallen“, betont Yücel Cesur. Für ihn war klar: „Hier will ich arbeiten.“ Nach einem Langzeitpraktikum bekam er eine Festanstellung als Fahrzeug- und Gerätepfleger.

Thomas Philippi und Yücel Cesur im Gespräch.

Als Leiter der Gerätepflege bildet Thomas Philippi die Beschäftigten aus. „Am Anfang war es ungewohnt, mit den Schülern von der Lebenshilfe zu arbeiten“, erinnert er sich. „Einige im Team waren skeptisch und unsicher. Das hat sich aber schnell geändert: Wir waren begeistert von der ehrlichen und herzlichen Art der beiden. Sie machen einen guten Job – und Berührungsängste gibt es nicht.“

Yücel Cesur wäscht ein Fahrzeug mit dem Hochdruckreiniger.

Heute steht die technische Wäsche eines Vorfeldschleppers, der z. B. Kofferwagen über das Rollfeld zieht, auf dem Programm: Dazu gehört eine Motor- und Unterbodenwäsche. Anschließend kommt das Fahrzeug zum Kundendienst in die Kfz-Werkstatt.

Yücel Cesur befördert das Fahrzeug mit der Hebebühne aufwärts.

Genaues Arbeiten ist gefragt. Yücel Cesur weiß, an welcher Stelle des Fahrzeugs er den Radheber ansetzen muss. Dank der Hebeanlage kann er nun mit der Unterbodenwäsche beginnen.

Yücel Cesur wäscht den Unterboden eines Fahrzeugs.

Für die Unterbodenwäsche des Schleppers nutzt Yücel Cesur einen Hochdruckreiniger. „Man muss hier aufpassen, dass man sich nicht den Kopf stößt oder mit öligen Händen abrutscht.“

Waschanlage: Yücel Cesur reinigt den Motor.

Täglich werden hier 15 bis 20 Fahrzeuge gereinigt. „Meine Arbeit ist jeden Tag anders, hier gibt’s immer Action – das mag ich“, beschreibt Yücel Cesur. Sorgfältiges Arbeiten ist wichtig. „Bei einer Motorwäsche muss man sehr vorsichtig sein, sonst springt das Auto nicht mehr an.“

Nahaufnahme: Auto in der Waschanlage.

Auch das Fahrzeug des Biotopmanagers steht bereit zur Reinigung: Mit diesem Auto werden die Grünflächen rund um das Start- und Landebahnsystem kontrolliert. Wenn sich Vogelschwärme nähern, müssen diese verscheucht werden, damit sich keine Tiere ins Triebwerk der Flugzeuge verirren.

Yücel Cesur sitzt an einem Schreibtisch und notiert seine Arbeitszeiten.

Auch wenn ihm Lesen und Schreiben schwerfällt, dokumentiert Yücel Cesur jeden Tag sorgfältig seine Arbeitsschritte – was er gemacht hat, wann er angefangen und aufgehört hat. Im Team fühlt er sich wohl: „Es ist normal, dass wir hier alle zusammenarbeiten.“

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Gut gelandet

In der IT-Abteilung des Flughafens arbeitet Lucas Feierabend, der seit seiner Geburt eine Sehschwäche hat. Damals lag seine Sehkraft bei 20 Prozent, inzwischen hat er noch einen Sehrest von fünf Prozent. Er erkennt große Strukturen und Farben, „aber alles sehr unscharf, wie durch Milchglas“. Lucas Feierabend ist im dritten Jahr seiner Ausbildung zum Fachinformatiker im Bereich Anwendungsentwicklung.

Kochen und Computer

Der Weg hierher war holprig. Er besuchte zunächst eine Regelschule, wechselte dann aber auf eine Blinden- und Sehbehindertenschule. Nach seinem Abschluss wollte er Koch werden, fand jedoch keinen Ausbildungsplatz. „Ich habe ungefähr 80 Bewerbungen geschrieben“, erinnert er sich. Das Ergebnis: vier Vorstellungsgespräche, keine Zusage. „Das war frustrierend, denn ich wollte einfach arbeiten“, erinnert sich Lucas Feierabend. Nach einem berufsvorbereitenden Jahr als Koch und einem Freiwilligen Sozialen Jahr landete er schließlich in einer Restaurantküche am Flughafen München. „Nach dem Praktikum entschieden mein jetziger Arbeitgeber und ich, dass ich in der IT-Abteilung meine Fähigkeiten noch besser einsetzen kann“, erklärt Lucas Feierabend. „Denn neben dem Kochen sind Computer meine große Leidenschaft.“

Porträtbild: Lucas Feierabend.

Lucas Feierabend hat seinen Job gefunden. Was ihn motiviert? „Diese kleinen Erfolge, wenn man einen Fehler im Programm findet und ihn beheben kann.“

Lucas Feierabend entwickelt Softwareprogramme für unterschiedliche Abteilungen – ob im Boden- oder Luftverkehr. „Die Codes, die ich erstelle und prüfe, sehen aus wie eine lange Rechnung mit Tausenden von Zahlen und Buchstaben – da muss ich genau hinsehen“, erklärt der angehende Programmierer. Dafür nutzt er z. B. die Lupenfunktion an seinem Rechner.

Rücksicht ja, Mitleid nein

Für Lucas Feierabend ist der Flughafen als Arbeitgeber ein echter Gewinn: „Es wird sehr viel für mich gemacht – ich habe einen hellen Arbeitsplatz, einen großen Bildschirm mit Gelenkarmen, den ich individuell positionieren kann, und ich arbeite mit einer speziellen Software für Sehbehinderte.“ Eine beleuchtete Tastatur erleichtert die Orientierung.

Manchmal fällt es dem Azubi schwer, sich zu konzentrieren. Dann macht er fünf Minuten Pause und kann aufmerksam weiterarbeiten. Beim Lernen für die Abschlussprüfungen hilft ihm ein Kollege – jeden Tag für eine Stunde. „Ich bekomme viel Hilfe von Kolleginnen und Kollegen und meinem Arbeitgeber, das weiß ich zu schätzen“, betont Lucas Feierabend. „Alle unterstützen mich, aber: Ich bekomme keine Sonderbehandlung.“ Denn für ihn ist Rücksicht, ein „respektvoller, normaler Umgang“ wichtig. Mitleid möchte er nicht. „Für mich macht der Flughafen es genau richtig – der Umgang zwischen Menschen mit und ohne Behinderung ist hier normal.“ Heute ist Lucas Feierabend froh, nicht als Koch zu arbeiten. „Ich schätze meine geregelten Arbeitszeiten und Abläufe im Büro“, betont er. „Dafür bin ich dankbar.“