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Inklusive Arbeitswelt

LeckerSchmecker: Ein Team macht keine Unterschiede

Man braucht gute Rezepte, um als Caterer erfolgreich zu sein. Diana Weindl punktet bei ihren Menüs für Kindergärten, u. a. mit frischen Zutaten aus der Region und in Bioqualität. Und sie setzt in ihrer Küche auf eine Mischung, die den Spaß an der Arbeit steigert: Inklusion! Verpflichtet ist die Chefin von LeckerSchmecker mit ihren gerade mal neun Beschäftigten dazu nicht. Sie stellt Menschen mit Schwerbehinderung ein, weil sie findet, dass sie ihr Team bereichern.

Ein Küchenteam bei einer Besprechung. Alle lachen.

Über Diana Weindl

Porträtfoto: Diana Weindl.

Diana Weindl ist staatlich geprüfte Hauswirtschafterin. 2014 hat sie sich mit einem Cateringunternehmen selbstständig gemacht. Sie beliefert vor allem Kindergärten mit frischen Biomenüs.

Meine Meinung

„Im Großen und Ganzen sehe ich keine Stelle, die nicht von einem Menschen mit Behinderung besetzt werden könnte. Und vom Team her gibt es gar keine Probleme.“

Über das „LeckerSchmecker“-Team

Gruppenfoto: Küchenbrigade in Arbeitskleidung.

In ihrem neunköpfigen Team beschäftigt Diana Weindl (2. v. r.) vier Menschen mit Schwerbehinderung. Gemeinsam kochen sie täglich für 1.000 Kindergartenkinder.

Unsere Meinung

Die Kinder freuen sich schon, wenn wir kommen!“ Christine Sch., Fahrerin

Ich fühle mich als Teil des Teams.“ Carolin M., Küchenhilfe

Kreatives liegt mir. Ich finde gut, dass ich hier selbst etwas einbringen kann.“ Christian S., Koch

In der Küche ist das Klima ganz, ganz wichtig.

An jedem Werktagmorgen legen die LeckerSchmecker um 7:30 Uhr los – schälen, schnippeln und hacken, wiegen und messen, pürieren, quirlen, würzen. Gurken schneiden, Handschuhe wechseln, Mangos würfeln: Drei, vier, fünf Händepaare arbeiten nebeneinander. Gegart wird schnell und schonend in großen Heißluftdämpfern. „Die helfen sehr“, sagt LeckerSchmecker-Chefin Diana Weindl. Vier Stunden später sind 1.000 Menüs abgefüllt, verpackt und ausgeliefert, wie immer ist alles frisch und von Hand zubereitet, in Bioqualität und nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.

Aha!

LeckerSchmecker ist eine Integrationsfirma (die seit 01.01.2017 „Inklusionsbetriebe“ heißen). Das bedeutet: Der Betrieb ist 1. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig, besetzt 2. dauerhaft 25 bis 50 Prozent seiner Arbeitsplätze mit Menschen mit Behinderung und erhält dafür 3. einen finanziellen Zuschuss aus der Ausgleichsabgabe.

Die Stimmung im Team ist meist entspannt; man kennt sich, ist gut eingespielt. „In der Küche ist das Klima ganz, ganz wichtig“, bestätigt Diana Weindl. Sie kümmert sich um den Einkauf, die Kalkulation, die Kundengewinnung, wacht über die Küche und leitet neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. In ihrem Team arbeiten ausschließlich ungelernte Kräfte und Quereinsteiger. Immer wieder muss sie ausloten, welche Stärken Bewerberinnen und Bewerber mitbringen, wo und wie sie eingesetzt werden könnten. Diana Weindl hält viel von Praktika. Dann können sich alle in Ruhe beschnuppern. „Das persönliche Zusammentreffen ist entscheidend“, findet sie. „Man lernt sich kennen, man versteht sich, man mag sich.“ Inserieren musste Diana Weindl noch nie. Interessierte bewerben sich direkt oder werden über die Arbeitsagentur vermittelt.

Biologisch, regional, inklusiv

Diana Weindl ist staatlich geprüfte Hauswirtschafterin. Während der Ausbildung fand sie ihren Job wenig attraktiv; nach dem Abschluss suchte sie sich deshalb Arbeit im Büro. Viele Jahre später, nach der Geburt ihrer beiden Kinder und der Elternzeit, wollte sie etwas Neues machen, nochmal durchstarten. Eher zufällig wurde ihr die Küchenleitung in einem integrativen Verein angeboten. „Da habe ich zum ersten Mal mit Menschen mit Behinderung gearbeitet und mich schon am ersten Probetag in den Job verliebt.“

Frau Sch. ist immer gut aufgelegt. Wenn sie kommt, geht die Sonne auf. Frau M. ist ein Ruhepol. Sie bringt Ordnung rein, wenn der ganze Haufen wuselt. Und Herr S. ist hoch motiviert und innovativ, er hat immer gute Ideen.

 

Obwohl die Bezahlung schlecht war, entschied sich Diana Weindl für die Stelle – wegen der Menschen im Team. Mehrere Jahre lang arbeitete sie angestellt als Küchenleiterin, vor allem mit jungen Menschen mit Behinderung. Dann wagte sie den nächsten Schritt und gründete ihr eigenes Cateringunternehmen. Sie wollte mit Bioprodukten aus der Region kochen – in einem inklusiven Team. Diana Weindl konnte kochen, organisieren, ein Team leiten, gut wirtschaften. Doch als sie einen Gründerkredit beantragte und einen Businessplan vorlegen sollte, wurde ihr flau. „Ich hatte keine Ahnung, was das ist. Aber ich habe etwas zusammengeschrieben und dem Berater vorgelegt. Ja, hat der gesagt, das ist ein Businessplan.“ 2015 räumte sie gleich mal den Niederbayerischen Gründerpreis in der Kategorie „bestes Konzept“ ab.

Bildergalerie: Die Chefin bekommt ihr Engagement zurück

Diana Weindl und mehrere Küchenkräfte bei der Arbeit.

Das Betriebsklima ist für Diana Weindl das A und O. „Menschen arbeiten doch ganz anders, wenn sie gerne zur Arbeit gehen!“ Wenn nötig, unterstützt die Chefin ihre Beschäftigten auch im Privaten. Mal begleitet sie eine Mitarbeiterin zum Vorstellungstermin beim Vermieter, mal gibt’s nach bestandener Fahrprüfung einen finanziellen Zuschuss. Alle Beschäftigten haben eine betriebliche Altersvorsorge. Diana Weindl tut viel für ihr Team. Dafür erwartet sie Engagement und gleichbleibend hohe Qualität, denn: „Der Kunde verzeiht nichts.“

Koch bei der Arbeit.

Christian S. kocht im LeckerSchmecker-Team. „Mir taugt’s schon gut hier“, sagt er. „Vor allem weil ich mich hier einbringen kann. Ich bin gerne kreativ. Manchmal gibt mir die Chefin einfach Zutaten und sagt: Probiere etwas aus.“ In seiner Freizeit entwirft Christian S. Tattoos im Stil mexikanischer Catrinas, den Skulpturen, die den Tag der Toten symbolisieren. Gelegentlich übernimmt LeckerSchmecker auch Veranstaltungscaterings. Wovon Christian S. träumt: einmal ein mexikanisches Menü zu kochen. Das dürfte dann, anders als die Kindergarten-Mahlzeiten, mal richtig scharf gewürzt sein …

Porträtfoto: Christian S.

Seit einem Unfall trägt Christian S. einen Defibrillator unter der Haut, der seinen Herzschlag kontrolliert und notfalls mit einem Stromstoß wieder in den richtigen Takt bringt. „Ich habe zwei verschiedene Rhythmusstörungen“, erzählt er. „Meine Herzleistung wird nicht besser.“ Vielleicht, meint Christian S., brauche er eines Tages ein neues Herz. Was ihm guttut: „Es wird nicht blöd geredet, wenn ich krank bin. Im Gegenteil, wenn ich wiederkomme, dann freut sich jeder.“

Porträtfoto: Küchenhelferin, schick in schwarz, mit Schürze und Haube.

Carolin M. ist gehörlos. Diana Weindl begegnete ihr von Anfang an aufgeschlossen und war neugierig auf die Gebärdensprache. Die neuen Kolleginnen und Kollegen hielten sich anfangs zurück. „Ich hatte das Gefühl, dass alle Berührungsängste hatten, dass sie einfach nicht wussten, wie sie sich mit mir austauschen können.“ Inzwischen hat das Team geübt, langsam und deutlich zu sprechen, damit Carolin M. lippenlesen kann. Und notfalls schnappt man sich eben Zettel und Stift. Wenn etwas Wichtiges besprochen werden muss, versucht Diana Weindl, einen Gebärdensprachdolmetscher aufzutreiben. „Aber die sind meist vollkommen ausgebucht“, ärgert sich Carolin M. „Dabei ist man ohne Dolmetscher oft hilflos.“

Carolin M. in der Küche, beim Kräuterhacken.

„In stressigen Situationen bekomme ich nicht alles mit. Dann ist es einfacher, die Hörenden anzuweisen. Bei LeckerSchmecker habe ich aber das Gefühl, dass sich alle bemühen, mir viele Informationen zu geben. Hier möchte ich meine Chefin und die Kollegen loben. Meistens verstehe ich die Situation schnell und kann viel helfen.“ Wenn während der Arbeit die Rufe und Scherze hin- und herfliegen, rauscht vieles an Carolin M. vorbei. „In den Pausen geben sich die anderen aber schon ab und zu Mühe, sich mit mir zu unterhalten.“

Porträtfoto: Küchenhelferin bereitet Zutaten vor.

Christine Sch. sagt von sich selbst: „Ich bin eine von den berüchtigten Schlecker-Frauen.“ Nicht nur, dass sie durch die Insolvenz der Drogeriemarktkette ihren Job verlor. An ihrem letzten Arbeitstag hatte sie auch noch einen Arbeitsunfall. Sie stürzte so schwer, dass sie eine neue Hüfte brauchte. Rheuma hatte sie schon lange. Zum Schmerz kam neuer Schmerz. Und dann saß Christine Sch. zu Hause. Mehr als 100 Bewerbungen schickte sie ab. Eine Frau über 50 und mit Behinderung? Keine Chance. „Doch dann hat 2014 das Arbeitsamt gefragt, ob ich auch in der Küche arbeiten würde. Ich habe nicht lange überlegt: Ich war froh, überhaupt eine Arbeit zu bekommen.“

Christine Sch. trägt eine Thermobox zum Firmenwagen.

Inzwischen springt Christine Sch. nur noch zwischendurch in der Küche ein. Meist fährt sie Essen aus, 18 Stunden pro Woche. „Ich kann nicht schwer heben, aber ich mache meine Touren mit kleinen Behältern. Und ich habe immer jemanden dabei.“ Aus der Notlösung, nach der sie 2014 spontan griff, wurde für Christine Sch. ein erfüllender Beruf. „Die Kinder freuen sich schon, wenn sie mich sehen. Und ich komme gerne in die Kitas. Das ist wie bei den sieben Zwergen, mit den kleinen Holzbettchen, jedes in seiner Farbe, und den Pantoffeln davor.“

Christine Sch. vor einem Firmenwagen.

„Nur zum Spaß bin ich auch nicht hier. Ich habe gearbeitet, seit ich 16 war“, schildert die gelernte Einzelhandelskauffrau. „Wenn Sie mehrere Jahre zu Hause sitzen und nur Absagen bekommen, dann fühlen Sie sich minderwertig.“ Im LeckerSchmecker-Team kann sie ihre Stärke einbringen: „Den Umgang mit Menschen, mit den Kollegen im Team, den Kindern, den Erzieherinnen.“ Sie schätzt den Zusammenhalt der Kolleginnen und Kollegen und auch den Führungsstil von Diana Weindl. „Die Chefin interessiert sich sehr für jeden Einzelnen. Wenn dann mal Not am Mann ist, bekommt sie das Engagement zurück: Dann springt jeder ein.“

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Was sich Diana Weindl wünscht: Reden wir darüber!

Es gab auch Probleme. Wer sich um einen Job bewirbt, muss nicht auf eine mögliche Behinderung hinweisen. „Hilfreich wäre das aber schon“, meint Diana Weindl, gerade in einem kleinen Betrieb wie ihrem. „Ich könnte dann viel besser abschätzen, wie ich den Menschen einsetzen kann und welche Unterstützung er braucht. Schwierig wird es, wenn ein Bewerber mich nicht über seine Behinderung aufklärt – und sich dann herausstellt, dass er seinen Job gar nicht richtig ausüben kann.“ Aber: „Wegen ein paar negativen Erfahrungen werde ich das Projekt Inklusion nicht aufgeben. Im Großen und Ganzen sehe ich keine Stelle, die nicht von einem Menschen mit Behinderung besetzt werden könnte. Mancher ist langsamer. Manchmal muss ich etwas zwei- oder dreimal sagen. Na und? Bei uns kann jeder alles und macht jeder alles. Wenn nötig, nehme ich einen weniger belastbaren Mitarbeiter eben aus der stressigen Zeit heraus. Und vom Team her gibt es gar kein Problem.“

Aha!

Das ist die Rechtslage: Arbeitgeber dürfen Bewerberinnen oder Bewerber grundsätzlich nicht fragen, ob sie eine Behinderung haben. Nach der Probezeit im laufenden Arbeitsverhältnis ist die Frage dagegen zulässig – auch, damit der Arbeitgeber seinen Pflichten gegenüber Beschäftigten mit Behinderung nachkommen kann.
Doch in bestimmten Fällen müssen Bewerberinnen und Bewerber selbst über ihre Behinderung informieren: Wenn sie nämlich wegen der Behinderung die vertraglich geforderte Leistung nicht oder nur eingeschränkt erbringen können.

Diana Weindl schätzt die Stärken ihrer Beschäftigten mit Behinderung. „Frau Sch. ist immer gut aufgelegt. Sie bringt gute Laune in die Küche. Wenn sie kommt, geht immer die Sonne auf. Frau M. ist ein Ruhepol. Sie bringt Ordnung rein, wenn der ganze Haufen wuselt. Und Herr S. ist hoch motiviert und innovativ, er hat immer gute Ideen.“

Ab 2018 möchte Diana Weindl nicht nur Beschäftigte anlernen, sondern auch Ausbildungsplätze anbieten. Ansprechen möchte sie gezielt junge Leute aus einem Förderzentrum. „Die Nachfrage“, sagt sie, „ist riesig.“ Diana Weindls Tipp an andere Arbeitgeber: „Fangen Sie klein an. Stellen Sie einen oder zwei Beschäftigte mit Behinderung ein. Dann können Sie ohne Risiko Erfahrungen sammeln.“