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Inklusive Arbeitswelt

Nach Krebs zurück ins Team

Nina Mayer (Name geändert) stand mit 30 Jahren mitten im Berufsleben, hatte viel Freude und Verantwortung als Referentin bei einem großen Energie-Unternehmen. Doch im Juni 2017 drückte das Schicksal plötzlich die Stopp-Taste: Diagnose Leukämie. Wegen der folgenden Therapie war die junge Frau knapp eineinhalb Jahre krankgeschrieben. Seit Dezember 2018 ist Nina Mayer zurück in ihrem alten Team.

Oberkörper einer Frau an einem Scheibtisch, ihre Hände liegen auf einer Laptop-Tastatur.

Immer häufiger stehen Arbeitgeber vor der Aufgabe, den Arbeitsplatz von Menschen mit chronischen Erkrankungen wie z. B. Krebs, Herzinfarkt oder Depression zu erhalten. Gleichzeitig ist die Rückkehr in den Job auch für die Erkrankten eine große Herausforderung. Von den Reaktionen im Kollegium bis zur eigenen Akzeptanz der geminderten Belastbarkeit: Hier erzählt Nina Mayer ihre Geschichte.

 

„Ich bin sehr dankbar für die langfristige Unterstützung meines Arbeitgebers. Diese Flexibilität ist nicht selbstverständlich.“

Sicherer Arbeitsplatz – aber mit neuen Aufgaben

Wenn du dich tagtäglich damit beschäftigen musst, ob du den Krebs besiegen wirst – dann bist du froh, wenn nicht noch finanzielle Sorgen dazukommen. Mein Arbeitgeber hat mir von Anfang an Jobsicherheit versprochen, ist sehr flexibel auf meinen wechselnden Gesundheitszustand eingegangen – und tut das immer noch. Das ist sicher ein Vorteil in einem großen Unternehmen mit rund 2.000 Beschäftigten, in dem der Ausfall Einzelner leichter abzufangen ist. Und in dem Betriebliches Eingliederungsmanagement und ein Schwerbehindertenbeauftragter etablierte Standards sind. Ich hatte außerdem ein sehr gutes Verhältnis zu meiner Chefin, wir hatten regelmäßig telefonisch Kontakt. Als klar war, dass ich wegen Komplikationen nach der Stammzelltransplantation nicht wie geplant im Januar 2018 zurückkehren konnte, hat die Personalabteilung meine Stelle als befristete Krankheitsvertretung ausgeschrieben. Mir wurde aber immer zugesichert: Du kannst in dein altes Team zurück! Nur eventuell mit etwas anderen Tätigkeiten.

„Einerseits entlastet mich weniger Verantwortung. Andererseits fühle ich mich deshalb nicht wie ein vollwertiges Teammitglied.“

Herausforderung: geminderte Belastbarkeit selbst akzeptieren

Vor meiner Erkrankung hatte ich in meinem Job viel Verantwortung, viele enge Deadlines und einen hohen Stresspegel. Jetzt habe ich fast nur noch Aufgaben, bei denen ich nicht unter Zeitdruck stehe und es nicht schlimm ist, wenn ich wegen einer Erkältung kurzfristig ausfalle. Statt früher 37 Wochenstunden arbeite ich derzeit auch nur 16. Weniger Arbeitszeit, Verantwortung und Stress sind natürlich einerseits gut für meine vollständige Genesung. Aber die Kehrseite ist: Ich fühle mich oft nicht wie ein vollwertiges Teammitglied. Ich verstehe natürlich die Entscheidung meiner Chefs. Wegen meines geschwächten Immunsystems falle ich jetzt einfach häufiger mit Infekten aus, da kann ich keine großen Projekte betreuen. Es lässt sich auch nicht vermeiden, dass ich mich irgendwo anstecke – auch wenn ich beim Wiedereinstieg erstmal ein Einzelbüro und Homeoffice-Tage bekommen habe. Aber schon allein, weil ich deutlich weniger Stunden im Büro bin als früher, fällt es schwer, wieder so richtig im Job „anzukommen“ und sich ganz dazugehörig zu fühlen.

„Manche Kollegen gehen auf Rückzug, weil sie mit dem Thema ‚schwere Krankheit‘ nicht konfrontiert werden wollen.“

Kontakt halten und Distanz abbauen: der Umgang im Kollegium

Auch mein Team hat sich mir gegenüber eigentlich immer unterstützend verhalten. Während ich weg war, haben sie mir Videobotschaften aus Meetings geschickt. Manche Kollegen und Kolleginnen sind aber auch eher auf Distanz gegangen, weil sie mit dem Thema „schwere Krankheit“ nicht konfrontiert werden wollten. Ich bin die Jüngste im Team und gerade mich hat‘s erwischt – das war für viele unfassbar. Deshalb fand ich es auch wichtig, mich während meiner Abwesenheit ab und zu per Telefon oder Videonachricht zu melden, um mich nicht selbst auszugrenzen.

„Es sollte ein Seminar geben: ‚Wie geht ein Team damit um, wenn eine Kollegin oder ein Kollege an Krebs erkrankt?‘“

Reaktionen im Team: zwischen Unsicherheit und Unwissen

Seit ich wieder zurück bin, sind einige Kolleginnen und Kollegen unsicher, wie sie mit mir umgehen sollen. Manche haben extrem Angst, mich mit Erkältungen anzustecken und sind deshalb eher distanziert. Andere wiederum nehmen mein Infektionsrisiko nicht ernst und sagen, ich solle mich nicht so anstellen, wenn sie sich mit Schniefnase neben mich setzen. Gut fürs Teamklima ist aber auf jeden Fall, dass ich kein schlechtes Gewissen haben muss: Meine Aufgaben sind jetzt so ausgewählt, dass sie niemand zusätzlich übernehmen muss, wenn ich wegen Erkältung und Co. ausfalle. Es sollte ein Seminar geben: „Wie geht ein Team damit um, wenn eine Kollegin oder ein Kollege an Krebs erkrankt?“ Denn Berührungsängste abbauen und zwischenmenschliche Tipps bekommen, das wäre eine Hilfe für beide Seiten.

Nina Mayer, Referentin in der Energiebranche, 32 Jahre